Der Unabhängige

Michael Melnik ist Gerichtsvollzieher in Parchim

Ich wollte auch nach der Schule im wunderschönen Mecklenburg-Vorpommern bleiben und da mich ein Beruf mit rechtlichen und gesetzlichen Berührungspunkten interessiert hat, war ich froh, über die Zusage für die Ausbildung zum Justizfachangestellten.

Da ich eher der Praktiker bin und ich mich weiterentwickeln wollte, habe ich mich nach ein paar Jahren Arbeit in meinem erlernten Beruf für die zusätzliche Ausbildung zum Gerichtsvollzieher entschlossen. Besonders gereizt hat mich an dem Beruf des Gerichtsvollziehers die selbstständige und unabhängige Arbeitsweise und Arbeitszeit. Ich denke, es gibt keinen familienfreundlicheren Beruf in der Landesverwaltung. Ich bin Herr meines eigenen Büros außerhalb des Gerichts und nur zu einem geringen Teil an Weisungen meiner Dienststelle gebunden. Der Umgang mit Menschen und die abwechslungsreiche Tätigkeit als Gerichtsvollzieher sind immer wieder spannend. Die Tätigkeit erstreckt sich nicht nur auf die Pfändung von Sachen oder die Abnahme der Vermögensauskunft, wir führen Räumungen durch, schließen Ratenzahlungsvereinbarungen mit Schuldnern ab oder hören manchmal einfach nur zu.

Während des gesamten Verfahrens sind wir Vermittler zwischen Gläubiger und Schuldner. Vor Ort entscheiden wir, manchmal sehr spontan, auf Grundlage der Gesetze und Rechtsprechung.

Neben der Praxis erledigt man im Büro die Buchungen von Zahlungen der Schuldner und Gläubiger, bereitet seinen Termintag oder die regelmäßigen Touren im Außendienst bei den Schuldnern vor. Außerdem steht man bei Räumungen in Kontakt mit Ordnungsamt, Schlüsseldienst, Spedition und manchmal auch der Polizei. Selten ist der Gerichtsvollzieher mit der Kindeswegnahme im Auftrag des Familiengerichts beauftragt, die dann in enger Zusammenarbeit mit dem Jugendamt erfolgt.

Im Gegensatz zur früheren Tätigkeit findet die Haupttätigkeit heutzutage leider mehr am PC und im eigenen Büro als vor Ort bei Schuldnern statt. Als Gerichtsvollzieher kann man seinen Arbeitstag selbst gestalten und organisieren. Dies führt zu vielen Freiheiten, aber natürlich auch Verpflichtungen. Mit der Zeit lernt man seine Schuldner kennen, sie sind so vielfältig wie die Gründe, weshalb ich als Gerichtsvollzieher bei ihnen klingele – da kann es auch mal zu etwas herausfordernden Situationen, sogar mit Drohungen oder Einschüchterungen kommen, auf die man angemessen reagieren muss.  In besonderen Lagen kann man auf eine Schutzweste oder einen Notruf-Pager zurückgreifen. Ich als Gerichtsvollzieher bin unbewaffnet und alleine in meinem Bezirk unterwegs. Menschenkenntnis und deeskalierendes Verhalten müssen dafür vorhanden sein. Man wächst in den Beruf hinein und entwickelt ein gesundes Selbstbewusstsein, um auch mit schwierigen Schuldner umgehen zu können.

Das hohe Maß an Selbstständigkeit und Unabhängigkeit führt hin und wieder dazu, dass sich durch mehrere Stellen zu treffende Entscheidungen verzögern können und man einen langen Atem benötigt, um Veränderungen im Dienstgeschäft zu erreichen. Die Ausbildung zum Gerichtsvollzieher kann ich aber trotzdem jedem weiterempfehlen, der gerne eigenständig arbeitet, sich selbst organisieren kann und den direkten Kontakt zu Kollegen nicht täglich braucht. Ebenso ist der Beruf sehr familienfreundlich, da man sein Büro auch direkt von zu Hause unterhalten darf.